Poetische Waldaufgaben im SelbstVERSuch

Wer an unserer Lyrikwerkstatt „Wald pflanzen, Wald schreiben“ nicht teilnehmen konnte, ist herzlich eingeladen, sich von den Übungsvorschlägen der Werkstattleiterin Birgit Kreipe inspirieren zu lassen, um im „SelbstVERSuch“ sich dem Thema „Waldgedicht“ zu nähern.

Birgit hat uns vorab einen Reader mit Waldgedichten von Goethe bis Ben Lerner zusammengestellt, um zu zeigen, wie dieses altehrwürdige Genre immer wieder neu belebt wird, zuletzt durch die Ansätze des Nature Writing. Bei unserer Exkursion in der Stolper Heide mit Revierförster Peter Cyriax hat sie uns angeregt, Gegenstände aus dem Wald als Inspiration mitzunehmen. Und schließlich hat sie als sprachlicher Rohstoff für lyrische Experimente zwei Ausschnitte aus forstwirtschaftlichen Texten vorgelegt – siehe unten.

Macht einen Waldspaziergang, nehmt an einer Pflanzaktion von uns oder von anderen Initiativen teil, lest  interessante Gegenstände vom Waldboden auf, stöbert in forstwirtschaflichen Beiträgen im Internet – Birgits Übungen können dabei helfen, die Eindrücke des Waldes zu Texten zu verdichten!

Isabel Fargo Cole

Warm-up (Forstwirtschaftliche Fachtexte)

Der vergleichsweise hohe Holzeinschlag im Jahr 2019 kann unter anderem auf eine Zwangsnutzung wegen Sturm, Trockenheit und vermehrten Insektenbefall zurückgeführt werden, der Schadholzanteil lag in diesem Jahr bei rund 67 % oder 42,6 Mio. Kubikmeter. Dabei ist besonders auffällig, dass der durch Insekten bedingte Schadholzanteil in 2018 und 2019 im Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen hat und im Jahr 2019 die Hauptursache darstellt (siehe Abb. „Durch Schäden bedingter Holzeinschlag“). Dies ist im Wesentlichen durch die Hitze sowie Trockenheit der Jahre 2018 und 2019 und der damit einhergehenden Anfälligkeit bestimmter Baumarten für Schädlinge wie etwa den Borkenkäfer bedingt.

(Quelle: Umweltbundesamt)

Verjüngung und Kulturpflege (Höhenbereich bis 1,50 m). Eichenverjüngung sollte möglichst unter Schirm oder nach kleinen Lochhieben erfolgen. Auf größeren Freiflächen leidet sie häufig unter der Wirkung von Spätfrösten und einer kräftig entwickelten Bodenvegetation. In der Anwuchsphase haben junge Eichen eine hohe Schattentoleranz, die jedoch sehr schnell abnimmt. Auf trockenen und ärmeren Standorten haben die Jungpflanzen einen höheren Lichtbedarf. Nach Etablierung der Verjüngung müssen angepasste Lichtverhältnisse geschaffen werden. Zu langer Dunkelstand führt zu Wuchsdeformationen und Vitalitätsverlusten. Da die Eiche im Vergleich zu anderen Baumarten überdurchschnittlich durch Wildverbiss gefährdet ist, sind für eine erfolgreiche Verjüngung angepasste Wildbestände unabdingbar.

(Quelle: Waldbaurichtlinie für das Land Brandenburg: Eiche)

Aufgabe:

  • Versuche, durch sprachliche Interventionen einen der Texte zu poetisieren, ihn zu einem gedichtähnlichen Text zu machen: Von Zeilenumbrüchen, Umstellungen, Rhythmisierungen und Auslichtungen (bzw. Ausstreichungen), bis hin zu Übertreibungen, Ergänzungen und Verfremdung ist alles erlaubt!

Alternativ:

  • Versuche den Text verschwinden zu lassen, durch fortschreitendes Weglassen einzelner Laute im gesamten Text: Zunächst z. B. das „o“, nach ein paar Zeilen dann auch das „e“ usw., vielleicht können auch Konsonanten oder Wortzwischenräume verschwinden. Du kannst mit dieser Methode unkompliziert die Wirkung von Artenschwund, Verlust von Diversität u. ä. an der Textur des Textes selbst nachempfinden. Dieses Vorgehen hat Ulrike Draesner erfunden und vorgemacht (in: „Park“ 74, 2020).

Alternativ:

Wildlingswerbung, Nachverdichtung, Bodenverbesserung, Humusaufbau, Festmeter, Läuterung

Versuche, aus diesen oder anderen Fachbegriffen der Forstwirtschaft ein kurzes poetisches Statement zu entwickeln. Die Begriffe können dabei auch selbst verändert oder zu neuen Wörtern kombiniert werden.

Schreibübung: Gedicht oder kurzes Prosagedicht

A) Nimm Deinen mitgebrachten Gegenstand zur Hand. Betrachte ihn genau. In welchem Kontext hast Du ihn gefunden? Was erzählt er Dir über den Wald? Lass Deinen Assoziationen freien Lauf, frei nach Gaston Bachelard: In ganz kleinen Dingen und Gegenständen sind oft große Bilder verborgen.

B) Wie hat der Tag im Wald oder das Gespräch mit dem Förster Deine Wahrnehmung verändert? Welche Themen bewegen Dich weiter? Gab es einen besonderen Moment, den Du einfangen möchtest, oder eine Inspiration?

(Wenn Du nicht bei der Exkursion dabei warst, kein Problem: Erinnere Dich an einen Moment im Wald, der für Dich bedeutsam oder intensiv war, und arbeite damit und mit den Infos und Anregungen aus dem WS weiter).

Alternative Aufgaben:

C) Stell eine Liste kreativer Farbwörter und Farbnamen zusammen, für die Farben, die Dir im herbstlichen Wald aufgefallen sind.

D) Schreib ein Antwort- oder Gegengedicht zu einem der Texte aus dem Reader mit Waldgedichten.

E) Du kannst auch eine Collage anfertigen oder dich mit dem Material für Ausstreichungen beschäftigen: zum Beispiel mithilfe von viel Tipp-Ex ein „Gedicht“ aus einem Artikel aus der Zeitschrift „Land- und Forst“ machen.

F) Wenn Du einen anderen Ansatz findest, setze diesen um, oder schreibe frei Deinen eigenen Impulsen folgend.

Birgit Kreipe